Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung: Was Sie unbedingt wissen müssen


Wir können uns kaum vorstellen, dass wir eines Tages nicht mehr in der Lage sein werden, den Alltag zu bewältigen oder einfachste Entscheidungen zu treffen. Doch nach einem Unfall oder aufgrund einer Krankheit kann dies schneller und stärker der Fall sein, als wir denken.

 

Wer sicher sein will, dass in einer solchen Situation Entscheidungen getroffen werden, die den eigenen Wünschen entsprechen, und dass dies durch Vertrauenspersonen geschieht, tut gut daran, vorzusorgen.

Dafür gibt es zwei Dokumente: den «Vorsorgeauftrag» und die «Patientenverfügung»:

Rechtsgrundlagen

Diese beiden Dokumente wurden gleichzeitig geschaffen. Die Grundlage dazu bildet das seit dem 1. Januar 2013 geltende «Erwachsenenschutzrecht», das anstelle des seit Anfang des 20. Jahrhunderts unveränderten Vormundschaftsrechts in Kraft getreten ist.

Ziel des neuen Gesetzestexts war es, eine klare und einheitliche Grundlage zu schaffen. Diese wurde im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) verankert und gilt somit für alle Kantone. Getroffen und beaufsichtigt werden die im ZGB vorgesehenen Schutzmassnahmen von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB bzw. APEA in der Westschweiz).

Die Revision des Erwachsenenschutzes hat zahlreiche Neuerungen gebracht, unter anderem die Schaffung von zwei neuen Dokumenten («Rechtsinstituten»):

  1. den Vorsorgeauftrag
  2. die Patientenverfügung

In dieser Reihenfolge werden wir nachfolgend die beiden Instrumente vorstellen, was auch aus Sicht des zeitlichen Ablaufs logisch ist.

 

Was ist ein Vorsorgeauftrag?

Mit einem Vorsorgeauftrag kann die auftraggebende Person eine oder mehrere beauftragte Person(en) bezeichnen, die ihre Interessen vertreten. Diese Vertretung gilt für den Fall, dass die Person urteilsunfähig wird, und für drei Bereiche:

  • Personensorge
  • Vermögenssorge
  • Vertretung im Rechtsverkehr

Weshalb ein Vorsorgeauftrag?

Wie bereits erklärt kann eine Krankheit oder ein Unfall ohne jede Vorwarnung eintreten und zur Folge haben, dass jemand nicht mehr selber entscheiden oder für sich sorgen kann. Um sein Recht auf Selbstbestimmung dennoch wahren zu können, ist es wichtig, diese Aufgaben Personen anzuvertrauen, denen man vertraut und die über die eigenen Wünsche Bescheid wissen. Deshalb ist es ratsam, einen Vorsorgeauftrag zu verfassen, sobald eine Person folgende Bedingungen erfüllt:

  • Sie ist volljährig
  • Sie ist urteilsfähig

Selbst wenn als Vertrauensperson die Person gewählt wird, die auch nach den gesetzlichen Bestimmungen zuständig ist (Ehepartner, registrierter Partner, nächster Angehöriger) bietet ein Vorsorgeauftrag die Möglichkeit, dieser Person mehr Rechte zu übertragen. Deshalb ist es sinnvoll, ihr direkt die erforderlichen Ermächtigungen zu übertragen.

Mit einem Vorsorgeauftrag ist es auch möglich, diese Verantwortlichkeiten anderen Personen als dem Partner bzw. der Partnerin zu übertragen.

Schliesslich ist die Tatsache, dass jemand urteilsunfähig wird, für das Umfeld häufig mit Emotionen verbunden. Mit klar festgelegten Rollen und Anweisungen lassen sich Missverständnisse und Spannungen vermeiden. Damit wird auch die Gefahr einer ungewollten Auslegung verringert.

Dies ist umso wichtiger, als die Entscheidungen der beauftragten Personen von grosser Tragweite sein können, und zwar in allen drei Bereichen:

Personensorge

Hier geht es um das körperliche und psychische Wohl und somit um Interaktionen mit der medizinischen Welt. Es wird eine natürliche Person bestimmt, die sich um die Gesundheit der auftraggebenden Person und um die Wahrnehmung des Rechts dieser Person auf optimale Behandlung und Pflege kümmert.

Der Begriff «optimale Behandlung» ist je nach Kontext subjektiv, und die bezeichnete Person muss die im Vorsorgeauftrag festgehaltenen Anweisungen respektieren. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Dokument klar und genau ausgefüllt wird.

Die Fragen zur Personensorge betreffen die Gesundheit, was auch bei der Patientenverfügung der Fall ist (die weiter unten behandelt wird). Es ist ratsam, gegenüber dem medizinischen Personal eine einzige Person als Vertretung zu bezeichnen, ausser wenn die jeweiligen Verantwortlichkeiten genau geklärt werden.

Natürlich betrifft dies auch alltägliche Aspekte des körperlichen und psychischen Wohls wie Wohnungsunterhalt, Sozialleben usw.

Vermögenssorge

Bei diesem Teil des Vorsorgeauftrags geht es um die finanziellen Interessen der auftraggebenden Person: Budgetverwaltung, rechtzeitiges Bezahlen von Rechnungen, laufende Ausgaben.

Personen, die über ein gewisses Vermögen verfügen (mit Finanzanlagen, Immobilien usw.) sollten auch eine Strategie für die Vermögensverwaltung festlegen.

Vertretung im Rechtsverkehr

Die Person, die für die Vertretung im Rechtsverkehr bezeichnet wird, erledigt die administrativen Aufgaben. Sie vertritt somit die auftraggebende Person gegenüber Stellen wie Steuerverwaltung, Rechtsbehörden, Versicherungen oder Pensionskasse.

Zusätzlich kann ein administrativer Austausch mit Spitälern und Banken stattfinden, selbst wenn die beauftragte Person nicht zwingend auch für die Personensorge und die Vermögenssorge zuständig ist.

Anders als eine Vollmacht tritt der Vorsorgeauftrag in Kraft, sobald die Person urteilsunfähig wird, und endet, sobald die Person wieder urteilsfähig ist.

Wen kann ich in einem Vorsorgeauftrag als beauftragte Person wählen?

Die Aufgaben in den drei Bereichen des Vorsorgeauftrags können durch natürliche oder durch juristische Personen (Banken, Anwaltskanzleien, Vereine oder Stiftungen) erledigt werden. Natürliche Personen müssen mindestens 18 Jahre alt und urteilsfähig sein.

Es kann eine einzige Person für alle Bereiche oder eine Person pro Bereich bezeichnet werden. Unabhängig davon, wer bezeichnet wird, sollte auch eine Ersatzperson bestimmt werden – für den Fall, dass die gewählte Person:

  • den Auftrag ablehnt
  • nicht mehr in der Lage ist, den Auftrag zu erfüllen
  • den Auftrag nach einer gewissen Zeit auflöst

Wer ist die richtige Person zur Vertretung meiner Interessen?

Bevor sichergestellt wird, dass der Vorsorgeauftrag die materiellen und formellen Anforderungen erfüllt, geht es darum, eine ideale Vertretung (natürliche oder juristische Person) zu wählen.

Das wichtigste Kriterium ist das Vertrauen.

Es braucht absolutes Vertrauen, denn je nach Situation haben die zu treffenden Entscheidungen weitreichende Auswirkungen. Bei einem allfälligen Interessenkonflikt kann das Friedensgericht (Das Friedensgericht existiert nicht in allen Kantonen. Hier müsste ev. eine gesamtschweizerisch gültige Formulierung gewählt werden, z.B. «die Gerichtsbehörden im Bezirk der verstorbenen Person...») die Befugnisse der beauftragten Person aufheben und eine andere Person bezeichnen.

Das zweite Kriterium ist Zuverlässigkeit.

Der Arbeitsaufwand und die Auswirkungen der Entscheidungen können – insbesondere im medizinischen Bereich – erheblich sein. Die beauftragte Person muss deshalb ein relativ grosses Engagement zeigen. Umso mehr, als sie das Recht hat, den Auftrag abzulehnen bzw. dass ihr dieser entzogen werden kann, wenn sie ihn nicht korrekt erfüllt. Deshalb sollten unbedingt zuverlässige Personen gewählt werden, auch als Ersatzpersonen.

Schliesslich sollten die vorgesehenen beauftragten Personen selbstverständlich über die ihnen zugedachte Rolle informiert werden. Es ist sogar ratsam, ihnen eine Kopie des Auftrags auszuhändigen, damit sie davon Kenntnis nehmen und bei Unklarheiten Fragen stellen können.

Wie wird ein Vorsorgeauftrag verfasst?

Inhaltlich sieht das Zivilgesetzbuch für die auftraggebende Person Folgendes vor: «Sie muss die Aufgaben, die sie der beauftragten Person übertragen will, umschreiben und kann Weisungen für die Erfüllung der Aufgaben erteilen. »

Ausserdem sollte möglichst genau beschrieben werden, worin die Aufgaben der einzelnen Personen bestehen und wie sie den Auftrag erledigen sollen. So lassen sich Unklarheiten und Missverständnisse vermeiden. Nicht zu vergessen ist, dass den bezeichneten Personen eine grosse Verantwortung übertragen wird. Deshalb sollte ihnen die Aufgabe möglichst erleichtert werden.

In allen drei Bereichen des Auftrags (Personensorge, Vermögenssorge und Rechtsverkehr) kann der Tätigkeitsbereich der beauftragten Personen begrenzt werden.

Was die Form betrifft, müssen für einen gültigen Vorsorgeauftrag folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Vollständig von Hand niedergeschrieben, datiert und unterzeichnet (eigenhändige Form)
  • Notariell beurkundet (öffentlich beurkundete Form)

Bei der beurkundeten Form ist die Erstellung und jede Aktualisierung des Auftrags kostenpflichtig. Sie bietet jedoch den Vorteil, dass der Auftrag nicht wegen Zweifeln an der Urteilsfähigkeit der auftraggebenden Person zum Zeitpunkt der Erstellung angefochten werden kann, da die notarielle Beurkundung diesen Punkt einschliesst.

Detailliertere Angaben dazu, wie ein solcher Vorsorgeauftrag verfasst werden kann, sind unter diesem Link zu finden.

Unabhängig von der gewählten Form ist darauf zu achten, dass der Vorsorgeauftrag an einem für die Angehörigen leicht zugänglichen Ort aufbewahrt wird. Der Hinterlegungsort kann im Personenstandsregister gegen eine Gebühr von 75 Franken eingetragen werden.

In gewissen Kantonen kann der Auftrag sogar bei einer Behörde hinterlegt werden: bei der KESB, beim Familiengericht oder beim Amtsnotariat.

Möglich ist auch, eine Kopie in digitaler Form – über unseren gesicherten Server – aufzubewahren und Ihren Vertrauenspersonen Zugriff darauf zu geben.

 

Inhalt eines Vorsorgeauftrags

Der Text muss natürlich mit Datum und Unterschrift versehen sein und den Namen der auftraggebenden Person erwähnen, zusätzlich kann eine «Sicherheitsklausel» angebracht werden:

  • Der/Die Beauftragte darf keine Vermögenswerte des Auftraggebers unentgeltlich veräussern, mit Ausnahme von Gelegenheitsgeschenken oder Zuwendungen zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht.

Möglich ist auch eine Klausel, damit sich die beauftragte Person helfen lassen kann:

  • Der/Die Beauftragte ist berechtigt, zur Erfüllung des Auftrags Hilfspersonen beizuziehen.

Eine Vorlage für einen Vorsorgeauftrag können Sie hier kostenlos herunterladen.

 

Gültigkeit des Auftrags

Sobald eine Person als urteilsunfähig gilt, wird in Erfahrung gebracht, ob ein Vorsorgeauftrag existiert, der beim Zivilstandsamt registriert oder bei der Person zuhause ist.

Ist dies der Fall, wird überprüft, ob:

  • der Auftrag die formalen Anforderungen erfüllt
  • die Voraussetzungen für sein Inkrafttreten erfüllt sind
  • die beauftragte Person für ihre Aufgaben geeignet ist
  • weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes erforderlich sind

Sobald die vertretene Person wieder urteilsfähig und in der Lage ist, ihre Interessen selber wahrzunehmen, verliert der Auftrag seine Gültigkeit.

Dies ist im Übrigen auch der Vorteil des Vorsorgeauftrags gegenüber einer Vollmacht: Er beginnt erst, wenn die betroffene Person nicht mehr urteilsfähig ist, und erlischt automatisch, wenn sie die Urteilsfähigkeit wiedererlangt.

Eine Vollmacht ist hingegen im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung und auf unbeschränkte Dauer gültig. Zudem verlangen zahlreiche Verwaltungseinheiten (Post, Bank, AHV) eine Vollmacht mit einer jeweils eigenen Standardformel. Somit müssen allenfalls mehrere Vollmachten anstelle eines einzigen Vorsorgeauftrags unterschrieben werden.

Und ohne Vorsorgeauftrag?

Ohne Vorsorgeauftrag ist der Zivilstand massgebend. Besteht eine Ehe oder eine registrierte Partnerschaft (mit gemeinsamem Haushalt), dann ist der Partner automatisch zur einer Vertretung in folgenden Bereichen berechtigt:

  • Laufende Verwaltung von Einnahmen und Vermögenswerten
  • Rechtshandlungen (zum Beispiel einen Vertrag unterzeichnen)
  • Lesen und Erledigen der Korrespondenz
  • Medizinischer Bereich

Somit sind bei einer Ehe alle drei Bereiche des Vorsorgeauftrags abgedeckt (Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung im Rechtsverkehr). Hingegen ist ein Ehepartner nicht zur Verwaltung eines Vermögens befugt, das Immobilien, Unternehmen oder Aktien und Obligationen umfasst. In diesem Fall ist es – bei einem entsprechenden Vermögen – auch für Verheiratete sinnvoll, einen Vorsorgeauftrag zu errichten.

Bei alleinstehenden Personen ohne Vorsorgeauftrag schliesslich wird nicht automatisch ein Familienmitglied als Vertretung eingesetzt, sondern es kann eine Beistandsperson bezeichnet werden.

 

Entlöhnung und Spesen für die beauftragte Person

Wie bereits erwähnt wird die beauftragte Person möglicherweise einen beträchtlichen Arbeitsaufwand auf sich nehmen. Deshalb ist es angebracht, für natürliche Personen eine Entschädigung vorzusehen. Dasselbe gilt für juristische Personen (Banken, Anwaltskanzleien oder Institutionen).

Zusätzlich können Wegkosten vergütet werden.

Falls diese Punkte im Auftrag nicht geregelt sind, legt die Erwachsenenschutzbehörde eine Entschädigung fest, die dem Umfang der Aufgaben angemessen ist.

Diese Punkte sind jedoch bereits Bestandteil der Vorlage für einen Vorsorgeauftrag, die Sie herunterladen können.

 

Aktualisierung des Vorsorgeauftrags

Ein Vorsorgeauftrag muss regelmässig aktualisiert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass der darin festgelegte Wille nicht mehr der Realität entspricht.

Falls der Auftrag jedes Mal mit einem Notar erstellt und beurkundet wird, ist dafür ein Budget vorzusehen. Zu beachten ist dabei, dass – gemäss Zivilgesetzbuch – der aktuellste Auftrag die vorangehenden ersetzt, wenn er nicht ausdrücklich als Ergänzung bezeichnet wird.

Auch bei einem Wechsel des Hinterlegungsorts des Auftrags muss diese Angabe beim Zivilstandsamt aktualisiert werden (gegen eine Gebühr von 75.-), falls der frühere Auftrag dort registriert wurde.

Schliesslich müssen die digitalen Kopien auch auf den gesicherten Servern aktualisiert werden. Diese Etappe ist aber sehr schnell und einfach erledigt.

Der Auftrag kann jederzeit widerrufen werden.

[CHECKLISTE] Der perfekte Vorsorgeauftrag:

Wenn Sie auf den Text der Checkliste klicken, erhalten Sie mit den Links weitere Informationen

  • Gesetzliche Bestimmungen erfüllen
    • Mindestalter 18 Jahre
    • Urteilsfähig sein
  • Eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen wählen und mit der Vertretung in den drei Bereichen beauftragen
    • Personensorge
    • Vermögenssorge
    • Vertretung im Rechtsverkehr
  • Ersatzpersonen bezeichnen
    • Personensorge
    • Vermögenssorge
    • Vertretung im Rechtsverkehr
  • Angaben dazu, wie die Personen Sie in den drei Bereichen vertreten sollen
    • Personensorge
    • Vermögenssorge
    • Vertretung im Rechtsverkehr
  • Auftrag verfassen, der materiell und formell gültig ist und Klauseln einfügen:
    • «Sicherheitsklausel»
    • Hilfe für beauftragte Person
    • Entschädigung und Spesen
  • Inspiration durch eine bestehende Vorlage
  • Oder den Auftrag mit der Hilfe eines Notars errichten und beurkunden lassen
  • Den Auftrag an einem Ort hinterlegen, der Ihren Angehörigen bekannt ist
    • Allenfalls beim Zivilstandsamt registrieren lassen
    • Oder via Tooyoo auf einem gesicherten Server, zu dem nur bestimmte Vertrauenspersonen rasch Zugang haben
  • Regelmässige Aktualisierung
    • Allfällig geänderte Aufbewahrungsorte mitteilen
    • den Angehörigen
    • dem Zivilstandsamt
  • Digitale Kopien mit wenigen Klicks aktualisieren

Patientenverfügung: Ergänzung für den medizinischen Bereich

Am Anfang des Artikels wurde erwähnt, dass es logisch sei, zuerst den Vorsorgeauftrag und dann die Patientenverfügung zu präsentieren. Denn während der Vorsorgeauftrag hauptsächlich dazu dient, Personen als Vertretung für eine urteilsunfähige Person zu bestimmen, regelt die Patientenverfügung spezifisch gesundheitsbezogene Fragen.

Diese beiden Dokumente ergänzen sich, falls sie genau formuliert und aufeinander abgestimmt sind.

 

Was ist eine Patientenverfügung?

Mit einer Patientenverfügung können die Betroffenen für einen späteren Zeitpunkt festlegen, mit welchen Behandlungen, Eingriffen und medizinischen Massnahmen sie je nach Gesundheitszustand einverstanden sind und was sie ablehnen. Dieses Dokument dient dann als Anhaltspunkt für das medizinische Personal, falls der Patient nicht mehr urteilsfähig ist.

 

Weshalb eine Patientenverfügung?

Nochmals: Der Gedanke besteht darin, das Recht auf Selbstbestimmung auch bei einer Urteilsunfähigkeit soweit wie möglich zu bewahren.

Manchmal müssen Angehörige schwerwiegende Entscheidungen treffen ohne zu wissen, was die kranke Person gewollt hätte.

Sowohl bei altersbedingten Erkrankungen als auch bei Unfällen ist es sehr schwierig, im Voraus abzuschätzen, wie und wie schnell sich der Zustand verschlechtern wird.

 

Was beinhaltet eine Patientenverfügung?

Es werden zwei Arten von Patientenverfügungen unterschieden:

  • die zielorientierte Patientenverfügung
  • die massnahmenorientierte Patientenverfügung

Zielorientierte Patientenverfügung

Darin geht es um den grundsätzlichen Willen der erkrankten Person in Bezug auf das Lebensende. Der Schwerpunkt liegt eher auf einer allgemeinen Haltung als darauf, ganz bestimmte Massnahmen zu erlauben oder auszuschliessen. Ein Beispiel:

«Wenn es unmöglich oder unwahrscheinlich ist, dass ich meine Urteilsfähigkeit wieder erlange und die Gefahr gross ist, dass ich langfristig nicht mehr selbständig leben kann, möchte ich, dass auf lebensverlängernde Massnahmen verzichtet wird. »

Massnahmenorientierte Patientenverfügungen

Diese sind detaillierter und eigenen sich vor allem für Personen, die bereits an einer Krankheit leiden.

Diese können darin präzisieren, welche Massnahmen sie in einer bestimmten Situation wünschen oder ablehnen. Das Dokument kann auf ihre spezifische Krankheit ausgerichtet sein. Häufig sind solche Patientenverfügungen bei Patienten mit ALS oder Krebs. Ein Beispiel aus einer Mustervorlage der Krebsliga:

Auch im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung will ich mit einer Magensonde durch die Nase ernährt werden, falls ich die Nahrung nicht mehr in ausreichender Menge auf natürlichem Weg einnehmen kann (…).

Nicht selten enthalten diese Patientenverfügungen auch Angaben zu den Werten des Patienten, d.h. zu seinen Einstellung sowie zum Leben, zum Tod, zu Schmerzen usw.

 

Wie verfasse ich eine Patientenverfügung?

Es gibt keine eigentlichen Regeln. Betroffene können eine Patientenverfügung selber schreiben, sie können aber auch eine Vorlage einer Patientenverfügung heranziehen. Dies wird empfohlen, denn wenn die Patientenverfügung zu lang oder zu wenig klar ist, hat das medizinische Personal allenfalls keine Zeit, sie vollständig zu lesen, und das Risiko ist grösser, dass der Wille falsch verstanden oder nicht respektiert wird, beispielsweise bei Notfällen.

Die Patientenverfügung muss schriftlich verfasst werden, aber im Gegensatz zum Vorsorgeauftrag kann sie gedruckt und einfach handschriftlich datiert und unterschrieben werden.

Patientenverfügungen können problemlos geändert werden: Bei kleinen Anpassungen reicht es, die Änderungen mit Datum und Unterschrift zu versehen.

Wenn das gesamte Dokument überarbeitet wird, empfiehlt es sich, eine neue Version zu verfassen und die alte zu vernichten.

Es ist ratsam, das Dokument alle zwei Jahre zu lesen und zu unterzeichnen, um sicherzustellen, dass es noch immer dem eigenen Willen entspricht.

Werteerklärung

Gewisse Beispiele von Patientenverfügungen enthalten Fragen zu den Werten des Patienten (was ist der Person wichtig im Leben, wie ist ihre Beziehung zum Tod, ihre Einstellung zu Schmerzen usw.).

Es ist auch möglich, der Patientenverfügung eine Erklärung über die eigenen Werte beizufügen.

Weil sich auch mit einer detaillierten Patientenverfügung nicht alle Situationen im Voraus regeln lassen, kann eine Übersicht zu den Werten der betroffenen Person dem medizinischen Personal helfen, zu verstehen, wie die Person denkt und wofür sie sich entschieden hätte. Hier eine Liste mit Punkten, die Ihnen helfen wird, diese Erklärung zu verfassen.

Organspende, Autopsie und Körperspende für die Wissenschaft

Die Patientenverfügung ist eng mit dem Lebensende verknüpft, weshalb darin auch Fragen wie Organspende, Autopsie und Körperspenden für die Wissenschaft angesprochen werden.

Bei der Autopsie ist anzumerken, dass eine solche aus rechtlichen Gründen auch dann erfolgen kann, wenn sie in der Patientenverfügung abgelehnt wird. Dies ist insbesondere der Fall bei einem unnatürlichen Tod wie Unfall, Sturz oder Suizid.

Bestimmung einer Vertretung in der Patientenverfügung

Es ist möglich, eine Person zu bestimmen, die eine urteilsunfähige Person vertritt und medizinische Entscheidungen für diese trifft.

Wie beim Vorsorgeauftrag muss diese Person sorgfältig ausgewählt werden. Falls zwei Dokumente verfasst werden (Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung), ist es ratsam, für die medizinischen Fragen eine einzige Person zu bestimmen. Falls für diese Vertretung mehrere Personen bestimmt werden, müssen deren jeweilige Aufgaben klar festgelegt werden.

Vertrauen, Zuverlässigkeit, Verständnis für Ihre Werte: Das sind die drei Hauptkriterien. Sie können sich bei diesen Überlegungen auch von einer Vorlage inspirieren lassen. Wichtig ist wie bereits erwähnt, dass Sie die gewählten Personen informieren und das Thema mit ihnen besprechen. Rechtlich gesehen ist es nicht notwendig, die Personen, die für eine solche Vertretung gewählt werden, um vorherige Zustimmung zu bitten. Es ist aber sinnvoll, sich zu vergewissern, dass diese bereit sind, die vorgesehene Rolle zu übernehmen. Pro Senectute hat zum Beispiel eine Liste mit Fragen zusammengestellt, die man sich vor der Wahl der vertretenden Person stellen sollte.

Wenn keine Vertretung bestimmt wurde

Falls in der Patientenverfügung und im Vorsorgeauftrag keine vertretende Person gewählt wurde, gilt das Zivilgesetzbuch. Dann übernehmen folgende Personen die Vertretung (in dieser Reihenfolge):

  1. die Beistandsperson mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen
  2. Ehepartner, eingetragene Partnerin oder eingetragener Partner
  3. die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt
  4. die Nachkommen
  5. die Eltern
  6. die Geschwister

Ehepartner bzw. registrierter Partner müssen mit der urteilsunfähigen Person im gleichen Haushalt wohnen und ihr regelmässig und persönlich Beistand leisten.

Auch nahestehende Personen (im gleichen Haushalt oder Familienmitglieder) müssen einen regelmässigen persönlichen Beistand nachweisen.

Wo bewahre ich die Patientenverfügung auf?

Das Gesetz macht dazu keine Vorschriften. Das Dokument muss jedoch im Notfall schnell verfügbar sein. Denn nur wenn das medizinische Personal rechtzeitig davon erfährt, erfüllt die Patientenverfügung ihren Zweck.

Die beste Option scheint:

  • Eine Version bei sich zuhause aufbewahren, zusammen mit anderen administrativen Unterlagen.
  • Dem behandelnden Arzt eine Kopie übergeben.
  • Eine digitale Kopie auf einem geschützten Server hinterlegen, zum Beispiel via Tooyoo, damit die Vertretung und die Vertrauenspersonen darauf zugreifen können
  • Eine Karte ins Portemonnaie legen, auf der steht, dass es eine Patientenverfügung gibt.
  • Diese Angabe in die Versichertenkarte eintragen lassen (durch den behandelnden Arzt oder eine andere Medizinalperson)

 

Anweisungen für das medizinische Personal

Das medizinische Personal muss sich an die Patientenverfügung halten, ausser in folgenden Fällen:

  • Wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften verstösst
  • Wenn begründete Zweifel bestehen, dass sie auf freiem Willen beruht.
  • Wenn sie nicht dem mutmasslichen Willen der betroffenen Person entspricht

Die Ärztin oder der Arzt hält in diesem Fall im Patientendossier fest, aus welchen Gründen der Patientenverfügung nicht entsprochen wurde.

In Notfällen und falls die Zeit fehlt, die Patientenverfügung zu suchen und zu lesen, hat die Lebensrettung Vorrang. Ein Arzt könnte andernfalls wegen unterlassener Hilfeleistung gegenüber einer gefährdeten Person verurteilt werden.

Doch über den rein rechtlichen Aspekt hinaus stellt eine unklare Patientenverfügung das medizinische Personal vor weitere Probleme. Deshalb ist es ratsam, eine Vorlage einer Patientenverfügung herunterzuladen und auszufüllen.

Wie bereits erwähnt ist es wichtig, diese auf dem aktuellen Stand zu halten: Ein Arzt wird mehr Mühe haben, eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen, wenn die Patientenverfügung 15 oder 20 Jahre alt ist. Denn er kann dann nicht sicher sein, ob sie immer noch dem Willen des Patienten entspricht.

Schliesslich kann auch die als Vertretung gewählte Person für das medizinische Personal eine Belastung bedeuten. Je nachdem, wer damit beauftragt wird, kann es zu starken Spannungen im Umfeld kommen. Wenn dadurch Kommunikationsprobleme mit dem medizinischen Personal auftreten, kann dies einem guten Verlauf des Spitalaufenthalts abträglich sein. Deshalb muss die betroffene Person in der Patientenverfügung gegenüber den Angehörigen gut darlegen, was ihr Wille ist und wie sie diesen umsetzen möchte.

 

[CHECKLISTE] Die perfekte Patientenverfügung:

Wenn Sie auf den Text der Checkliste klicken, erhalten Sie mit den Links weitere Informationen

  • Gesetzliche Bestimmungen erfüllen
    • Urteilsfähig sein
  • Gewünschte Art der Patientenverfügung wählen
    • Zielorientierte Patientenverfügung
    • Massnahmenorientierte Patientenverfügung (hilfreich bei einer bereits bestehenden Krankheit)
  • Allenfalls eine Erklärung über die eigenen Werte beifügen
  • Person bestimmen, welche die Entscheidungen in Vertretung für die betroffene Person trifft
    • Ersatzperson wählen
  • Klare und präzise Patientenverfügung verfassen.
  • Mit der gewählten Vertretungsperson und dem Umfeld sprechen
  • An einem geeigneten Ort aufbewahren
  • Verfügung aktualisieren (oder alle 2 Jahre neu unterzeichnen)
    • Gegebenenfalls mit Angehörigen neu besprechen
    • Digitale Kopien mit wenigen Klicks aktualisieren

 

Das Selbstbestimmungsrecht wahren

Alle diese administrativen Schritte dienen dem konkreten Ziel, das Recht auf Selbstbestimmung weiterhin wahrnehmen zu können. Auf diesen Grundsatz legen wir im Alltag alle Wert, er scheint uns aber – merkwürdigerweise – weniger wichtig, wenn es um Unvorhergesehenes geht.

Unfälle, altersbedingte Erkrankungen – wir müssten Betroffene fragen, ob das wirklich «nur den Anderen passiert». Leider ist dies nicht der Fall.

Doch glücklicherweise können wir in vielen Bereichen vorsorgen:

 

[CHECKLISTE] Was ich heute regeln will:

Wenn Sie auf den Text der Checkliste klicken, erhalten Sie mit den Links weitere Informationen

  • Meine Pensionierung: Für eine hervorragende Lebensqualität und ein gutes Einkommen
  • Ein Vorsorgeauftrag: Damit sich Vertrauenspersonen um mich kümmern
  • Eine Patientenverfügung: Für medizinische Anweisungen, die meinen Wünschen entsprechen
  • Mein Erbe: Damit meine Angehörigen ohne Spannungen das erhalten, was ich Ihnen vermachen möchte
  • Vorsorge im Zusammenhang mit meinem Lebensende: Damit alles bereit ist, wenn die Zeit gekommen ist